Ermessen
Bedeutung in der Sozialversicherung
§ 39 SGB I
(1)
Sind die Leistungsträger ermächtigt, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, haben sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht ein Anspruch.
(2)
Für Ermessensleistungen gelten die Vorschriften über Sozialleistungen, auf die ein Anspruch besteht, entsprechend, soweit sich aus den Vorschriften dieses Gesetzbuchs nichts Abweichendes ergibt.
gesetze-im-internet.de/sgb_1/__40
§ 40 SGB I
(1) Ansprüche auf Sozialleistungen entstehen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. (2) Bei Ermessensleistungen ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung über die Leistung bekanntgegeben wird, es sei denn, daß in der Entscheidung ein anderer Zeitpunkt bestimmt ist.
Folgen fehlerhafter Begründung
Fehlende oder fehlerhafte Ermessensbegründung. Mangelnde Angabe der wesentlichen Gesichtspunkte für Ermessen führt zur Rechtswidrigkeit des VA 22/86, 1661 ordnungsgemäße Begründung nur, wenn angelegte Maßstäbe erkennbar; Breith. 87, 970
Unterlassene Ermessensausübung
Wenn die Beklagte ihr Rücknahmeermessen auszuüben hatte, dies aber nicht geschehen ist, erweist sich der Aufhebungsbescheid unabhängig von der fehlerhaften Begründung mangels Ermessensausübung auch im Ergebnis als rechtswidrig. BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 11.4.2002, B 3 P 8/01 R
Ermessensfehler:
Ermessensunterschreitung:
Kein Gebrauch von E. , § 35.1 - 3 SGB X: Begründung muss Gesichtspunkte erkennen lassen- aus formellem Fehler wird materieller Fehler gefolgert => VA aufzuheben.( Beispiel Rücknahme nach § 45 SGB X ohne Ermessensausübung).
Ermessensüberschreitung:
Verwaltung wählt Rechtsfolge, die nicht zu den im Gesetz enthaltenen Entscheidungsmöglichkeiten gehört.
Ermessensmissbrauch:
Verwaltung missachtet den Zweck der E - Einräumung § 39 SGB I oder verstößt gegen einen rechtsstaatlichen Grundsatz des Verwaltungshandelns.
Gerichtliche Überprüfung des Ermessens
Das Ermessen ist gerichtlich nur dahingehend zu überprüfen, ob die Verwaltung bei ihrer Entscheidung alle wesentlichen Umstände beachtet hat (Steinwedel in Kasseler Komm, § 45 SGB X RdNr 54).
Kontrolle durch SG § 54.2 SGG: nur Rechtmäßigkeit, nicht Zweckmäßigkeit (anders bei Widerspruch: Auch Zweckmäßigkeit § 78 SGG). Dennoch soll Gericht auch zur Sache entscheiden, nicht nur allein wegen fehlenden Ermessens ;BSG, 29/88, 2224 + 2230
Arten des Ermessens
Entschließungsermessen ( bei Vorliegen eines Härtefalls in der Regel Anspruch gegeben) oder Auswahlermessen ( E ausüben, Zweck der E Einräumung und Grenzen beachten)
Heilung von Ermessensfehlern
Fehler bei der Ermessensausübung können im SG-Verfahren nicht mehr geheilt werden.(8/03,712)
Ermessensgesichtspunkte bei der Abfindung - BSG-Urteil vom 09.11.2010 B 2 U 10/10 R (Auszug):
...Dass der Beklagten im Hinblick auf die Gewährung einer Abfindung Ermessen eingeräumt ist, folgt zunächst aus dem Wortlaut des § 76 Abs 1 Satz 1 SGB VII mit dem Gebrauch des Wortes "können", das kein bloßes "Kompetenz-Kann" beinhaltet - so die Rechtsprechung des Senats (BSG ... ) ...
Zusammengefasst zeigt die Gesetzesgeschichte, dass bei der Ermessensausübung über die Bewilligung eines Abfindungsanspruchs neben den Interessen der Allgemeinheit folgende Zwecke abzuwägen sind. Auf Seiten des Versicherten besteht das Interesse, seine wirtschaftlichen Verhältnisse durch eine Verfügungsmacht über einen erheblichen Geldbetrag im Unterschied zu laufenden, ggf nicht allzu hohen monatlichen Rentenzahlungen zu verbessern. Auf Seiten der Verwaltung geht es um die Verringerung des Verwaltungsaufwandes, um eine Bemessung der Höhe des Kapitalbetrags nach der durch das Lebensalter und die körperliche Beschaffenheit des Berechtigten bedingten voraussichtlichen Dauer des Rentenbezugs - also der weiteren Lebenserwartung - des Versicherten sowie um die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unfallversicherungsträgers...
Soweit in der Literatur weitere Zwecke genannt werden, sind diese zum Teil mit den gesetzgeberischen Zielen vereinbar, zB ob in absehbarer Zeit der Bezug anderer steuerfinanzierter Sozialleistungen droht, womit die Allgemeinheit belastet werden würde, der aber durch den Bezug einer Verletztenrente zumindest verringert würde, während es für andere genannte Zwecke, wie zB eine Berücksichtigung des von dem Versicherten beabsichtigten Verwendungszwecks der Abfindung bei einer so genannten kleinen Verletztenrente, keine erkennbare Begründung gibt...