Unzulässige Elementenfeststellung
und der Bezug zur deutschen gesetzlichen Unfallversicherung
LSG München, Urteil v. 27.11.2013 – L 2 U 104/13
Der Ausspruch einer zeitlichen befristeten unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit stellt eine unzulässige Elementenfeststellung dar. (amtlicher Leitsatz)
"...Zu den abstrakt feststellbaren Anspruchselementen gehören neben dem Versicherungsfall nach §§ 7, 8 SGB VII auch die (sog. unmittelbaren) Unfallfolgen im engeren Sinn, also die Gesundheitsschäden, die wesentlich (und deshalb zurechenbar) spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Versicherungsfalls verursacht wurden (so z. B. auch LSG ...)."...
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, vom 03.05.2013, L 3 U 29/11:
"Darüber hinaus stellt die im Tenor des Bescheides vom... erfolgte Feststellung einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit bis zu einem bestimmten Datum eine Elementenfeststellung (hierzu allgemein Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 55 Rn. 9 zur Elementenfeststellungsklage im Rahmen des § 55 Abs. 1 SGG) dar, die als unzulässig anzusehen ist und somit aus formellen Gründen aufzuheben gewesen wäre (so zuletzt auch: LSG ...). Da im Übrigen jedoch die Berufung unbegründet ist, war eine Quotelung wie erfolgt angezeigt."
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 17 U 41/09 08.08.2012
" Zulässiger Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein die Anerkennung von durch den Arbeitsunfall vom 01.04.2004 zumindest wesentlich mitursächlich bedingter Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit über den 07.04.2004 hinaus, weil die Beklagte mit dem angefochtenen und allein streitgegenständlichen Bescheid vom 11.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2005 lediglich über die - zwischen den Beteiligten nicht streitige - Anerkennung des Ereignisses vom 01.04.2004 als Arbeitsunfall sowie über die Anerkennung und die Dauer der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit entschieden hat. Soweit der Kläger darüber hinaus auch im Berufungsverfahren an seinem weiteren Begehren festhält, ihm Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, kann er hiermit schon deshalb nicht durchdringen, weil eine Entscheidung über Leistungsansprüche des Klägers nicht Gegenstand des genannten, angefochtenen Bescheides der Beklagten ist (vgl. dazu BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 36/03 R, Rn. 15 bis 17). Soweit die Beklagte in der Begründung ihres Bescheides vom 11.10.2004 weiterhin ausgeführt hat, dass Leistungsansprüche über den 07.04.2004 deshalb nicht bestünden, stellt dies insbesondere keine Bescheidung eines Leistungsbegehrens dar, sondern ist die von der Beklagten gezogene und rein deklaratorische Folgerung daraus, dass ihrer Meinung nach ab dem 08.04.2004 weder unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit noch Behandlungsbedürftigkeit bestanden hätten.
Hierfür spricht insbesondere auch, dass die für die Bestimmung des (möglichen) Streitgegenstandes entscheidende Bindungswirkung eines Verwaltungsaktes sich auf den Verfügungssatz beschränkt (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 16), der vorliegend gerade keinen Ausspruch über etwaige Leistungsansprüche des Klägers enthält. Zwar kann zur Klärung des Umfangs der Bindungswirkung auch die Begründung des Verwaltungsaktes berücksichtigt werden, dies jedoch nur innerhalb des Verfügungssatzes und auch dies nur, wenn dieser unklar ist und Raum für Auslegungen lässt (BSG, a.a.O., Rn. 16 m.w.N.). Solche Unklarheiten bestehen jedoch nicht. Vielmehr geht sowohl aus der Überschrift als auch aus den Verfügungssätzen des angefochtenen Bescheides klar hervor, dass er nur Entscheidungen über die Anerkennung und Dauer von unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit enthält. Soweit der Kläger also mit seinem Antrag ein Leistungsbegehren formuliert hat, kann er hiermit schon deshalb nicht durchdringen, weil es an einer entsprechenden Verwaltungsentscheidung der Beklagten fehlt."
Quatsch aus der Praxis
Jahrzehntelang war es üblich, in sogenannten Abgrenzungsbescheiden nachträglich das Ende der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit und der Behandlungsbedürftigkeit zu verkürzen (zum Beispiel vier Wochen wegen einer Prellung bei tatsächlich monatelanger Erkrankung und berufsgenossenschaftlicher Heilbehandlung). Im Verhältnis zur betroffenen Person war das aber Quatsch, wenn die Person viel länger von der BG Heilbehandlung und Verletztengelt erhalten hatte, denn welches Interesse für die betroffene Person hätte diese Feststellung gerechtfertigt? Eine Rückforderung des Geldwerts der Leistungen bei der betroffenen Person ist rechtlich nicht erlaubt (Vertrauensschutz, § 45 SGB X). So streiten sich manche bis zum LSG um Wochen oder Tage der Arbeitsunfähigkeit und mit etwas Glück erkennt man dann erst, dass dieser Streit rechtlich völlig überflüssig gewesen ist. Denn in Wahrheit geht es vor allem um die Feststellung, dass die als Unfallfolge abgelehnten Gesundheitsschäden von der BG anzuerkennen sind. Ob vier oder sechs oder acht Wochen Arbeitsunfähigkeit, alle Ansprüche sind in der Regel bereits erfüllt, nichts ist mehr offen und rechtfertigt ein Feststellungsinteresse. Und die Angst der SBs vor der Abweisung des Erstattungsanspruchs durch die Krankenkasse ist kein berechtigter Grund (keine Drittwirkung des Verwaltungsaktes).