Haftungsausschluss
der gesetzlichen Unfallversicherung bei strafbaren Handlungen
Leistungen können ganz oder teilweise versagt oder entzogen werden, wenn der Versicherungsfall bei einer von einem Versicherten begangenen Handlung eingetreten ist, die nach rechtskräftigem strafgerichtlichen Urteil ein Verbrechen oder vorsätzliches Vergehen ist. § 101 Abs. 2 Satz 1 SGB VII.
Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht sind. § 12 Abs. 2 StGB.
Der Versicherungsfall muss allerdings bei Begehen der strafbaren Handlung eingetreten sein. Zwischen der strafbaren Handlung und dem Versicherungsfall ist ein innerer Zusammenhang erforderlich. Das strafbare Verhalten muss eine rechtlich wesentliche Ursache für den Eintritt des Schadens gewesen sein (BSG, Urteil vom 24. August 1966, BSGE 25, 161, 163 zu § 554 RVO ).
Der Versicherungsfall darf daher nicht nur gelegentlich der strafbaren Handlung eingetreten sein und mit ihr lediglich in einem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang stehen.
Der erforderliche innere Zusammenhang fehlt z.B., wenn ein Versicherter ohne entsprechende Fahrerlaubnis mit einem Pkw beim Erhöhen der Geschwindigkeit ins Schleudern gerät und sich überschlägt.
Ob Leistungen insgesamt oder teilweise versagt werden sollen, liegt im Ermessen des Unfallversicherungsträgers. Z. B. ob Verletztenrente versagt oder entzogen wird und andere Leistungen (z.B. Heilbehandlung) in vollem Umfang erbracht werden.
Ermessen bedeutet das durch Gesetz begründete Vermögen, bei der Ausübung hoheitlicher Befugnisse zwischen mehreren Rechtsfolgen nach eigenem Abwägen zu entscheiden und zwar dahingehend, ob überhaupt eine Rechtsfolge (Entschließungsermessen) und welche Rechtsfolge (Auswahlermessen) getroffen werden soll.
Dabei sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens (vgl. § 39 Abs. 1 SGB I zu beachten und die getroffene Ermessensentscheidung ist zu begründen (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X).
Bei der Überprüfung der eigentlichen Ermessenentscheidung findet durch die Gerichte nur eine Rechtskontrolle, nicht hingegen eine Zweckmäßigkeitsüberprüfung statt, § 54 Abs. 1 und 2 SGG.
Sie beschränkt sich darauf, ob die in § 101 Abs. 2 SGB VII vorgesehenen möglichen Rechtsfolgen nicht überschritten sind, so dass weder ein Nichtgebrauch noch eine Überschreitung des Ermessens vorliegt.
Ferner ob ein Ermessensfehlgebrauch vorliegt, also von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde.
Schließlich ob gegen Grundrechte oder gegen allgemeine Verwaltungsgrundsätze - insbesondere Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit - verstoßen wurde.
§ 101 Absatz 2 SGB VII hat nicht den Zweck der Vergeltung.
Es soll jedoch damit vermieden werden, dass jede Risikoerhöhung durch strafbewehrtes Verhalten zu Lasten der Versichertengemeinschaft bzw. der Allgemeinheit geht.
Bei der Ausübung des Ermessens sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.
Von Bedeutung sind dabei die Art und Ausführung der Tat, die Handlungssituation (z.B. Druck des Arbeitgebers) und der Verschuldensgrad.
Für eine Versagung kann insbesondere sprechen, dass die Straftat auf die bewusste Schädigung anderer angelegt war oder ob der Versicherte sich nur selbst in Gefahr brachte.
Lag die strafbare Handlung vom Standpunkt des Versicherten auch im Interesse seiner versicherten Tätigkeit, kann dies hingegen gegen eine Leistungsversagung sprechen.
Zu berücksichtigen sind ferner die individuellen, auch wirtschaftlichen Verhältnisse des Versicherten. Im Rahmen der Ermessensentscheidung muss dabei nicht jeder dieser Aspekte aufgegriffen werden, soweit die Umstände des Einzelfalls insgesamt angemessen berücksichtigt worden sind.
zum Gesetzestext gesetze-im-internet.de/sgb_7/__101
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